Kapitel 1: Schleppende Fortbildung behindert Leistung und Entwicklung von Mitarbeitenden
Da die kompetenzbasierte Personalbeschaffung auf dem Vormarsch ist, ändert sich auch die Methode, wie die meisten Unternehmen nach Talenten suchen erneut. Von Mitte der 1940er bis in die 1970er Jahre besetzten Unternehmen rund 90 % ihrer offenen Stellen durch interne Beförderungen und Quereinsteiger. Bis 2019 ist diese Zahl jedoch auf nur noch 30 % oder weniger gesunken.
Seit den 1980er Jahren hat die niedrige Mitarbeiterbindung die Kosten für die Talentakquise auf ein Rekordhoch getrieben. Viele Unternehmen sind dazu übergegangen, neue Mitarbeiter extern einzustellen, die entsprechendes Training für die betrieblichen Kontexte erhalten, von denen aber prinzipiell erwartet wird, dass sie bereits über die von den Unternehmen gewünschten Fähigkeiten verfügen.
Die von den Unternehmen benötigten Skills ändern sich jedoch schneller, als neue Mitarbeitende eingestellt werden können. Eine Folge dieser Abhängigkeit von externen Einstellungen ist, dass die interne Entwicklung und die Karrierewege innerhalb eines Unternehmens in den Hintergrund getreten sind – zum Nachteil der meisten Unternehmen und ihrer Mitarbeitenden.
Aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels, der kürzeren Lebensdauer von Qualifikationen und der Fluktuation müssen Unternehmen erkennen, dass externe und ausgelagerte Talentakquise nicht mehr ausreicht, um die für den Erfolg erforderlichen Skills und Kenntnisse zu erwerben.
Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen unserer Umfrage wider. In den USA und in Frankreich geben rund 45 % der leitenden Talent Manager an, eine ihrer größten Herausforderungen sei die Unfähigkeit, „genügend neue Mitarbeiter mit den benötigten Fähigkeiten zu finden“.
Im Vereinigten Königreich hingegen haben die Unternehmen vor allem Schwierigkeiten, jüngere Talente zu halten. 63 % der Unternehmen sehen in der "höheren Fluktuation der jüngeren Mitarbeiter" das größte Hindernis für den Fachkräftemangel.
Die gute Nachricht: Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass eine Neuausrichtung auf interne Fortbildung und Umschulung dazu beitragen kann, die Herausforderungen des aktuellen Arbeitsmarktes zu bewältigen. Mit anderen Worten: Talentteams suchen zunehmend innerhalb ihrer eigenen Organisationen, um kritische Skill-Gaps zu schließen.
Dieser wachsende Trend zur internen Einstellung wurde durch unsere eigenen Umfragedaten bestätigt. Im Vereinigten Königreich, in den USA und in Deutschland verfolgt die Hälfte der Befragten oder mehr einen 50/50-Ansatz bei der Einstellung interner und externer Mitarbeiter, stellt überwiegend intern ein oder setzt ausschließlich auf interne Mobilität.
Im Vereinigten Königreich, in den USA und in Deutschland verfolgt die Hälfte der Befragten oder mehr einen 50/50-Ansatz bei der Einstellung interner und externer Mitarbeiter, stellt überwiegend intern ein oder setzt ausschließlich auf interne Mobilität.
Nur in Frankreich ist die Zahl etwas niedriger: 47 % der Befragten konzentrieren sich nach wie vor hauptsächlich auf externe Einstellungen, während 44 % auf interne Einstellungen setzen.
Insgesamt sind die zunehmenden Bemühungen um interne Mobilität zu begrüßen. Zu bedenken bleibt aber auch: Die Entwicklung und Förderung interner Mobilität in Unternehmen nimmt oft zu viel Zeit in Anspruch. Das erschwert es vielen Unternehmen, ihre Mitarbeitenden rasch genug für neue Positionen im Unternehmen auszubilden.
Den Umfrageteilnehmern im Vereinigten Königreich zufolge ist diese Hürde besonders ausgeprägt: 61 % der Befragten gaben an, dass sie vorhanden ist. In Deutschland äußerten 36 % der befragten Talent-Manager Bedenken hinsichtlich ihrer Fähigkeit, ihre Mitarbeitenden schnell weiterzubilden und umzuschulen.
Ein weiterer Engpass, der Talent-Manager daran hindert, die interne Mobilität in ihren Unternehmen zur Stellenbesetzung zu nutzen, ist die mangelnde Einschätzung der Fähigkeiten ihrer derzeitigen Mitarbeiter. Mehr als die Hälfte der Befragten im Vereinigten Königreich und 45 % der Befragten in den USA gaben an, dass sie Schwierigkeiten haben, das Qualifikationsniveau aller Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre derzeitige oder nächste Rolle zu verstehen. In Deutschland gaben dies 32 % der Befragten an.
Dieser Mangel an Skalierbarkeit erschwert die Umsetzung von Weiterbildungsinitiativen, die zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Flexibilität des Unternehmens beitragen. Mit der Verbreitung neuer KI-Technologien werden sich die Führungskräfte zunehmend des Qualifikationsdefizits bewusst. Arbeitgeber müssen aber zunächst einmal wissen, welche Fähigkeiten in ihrem Unternehmen vorhanden sind. Gleichzeitig müssen die Mitarbeitenden in der Lage sein, genau die Skills zu benennen, die sie für die Erledigung ihrer Aufgaben benötigen, um anschließend die passende Schulung zur richtigen Zeit zu erhalten.
Offenbar werden also, genau wie Modetrends, auch Einstellungsstrategien nach Jahrzehnten des "Out-Seins" wiederentdeckt. Die in diesem Kapitel präsentierten Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen auf dem richtigen Weg sind, Qualifikationsdefizite zu beheben, indem sie ihren Schwerpunkt verstärkt auf internes Recruiting legen. Das Problem ist nur: Sie verfügen noch nicht über die richtigen Werkzeuge und Strategien zur Umsetzung.
Die organisatorischen Vorteile von interner Mitarbeiterweiterbildung und Umschulung liegen auf der Hand: Sie fördern die Mitarbeiterbindung und sind eine schnellere und kostengünstigere Möglichkeit, den Bedarf an neuen Qualifikationen zu decken, als dies durch Outsourcing oder externe Einstellungen möglich ist.
Um dies erfolgreich zu tun, müssen die Unternehmen jedoch mehr tun, als nur über Upskilling und Reskilling zu reden. Sie müssen die richtige Infrastruktur und die richtigen Prozesse schaffen, um diese Art von Wachstum und Karriereentwicklung aus den eigenen Reihen zu unterstützen und zu ermöglichen.
Um dies erfolgreich zu tun, müssen die Unternehmen jedoch mehr tun, als nur über Upskilling und Reskilling zu reden. Sie müssen die richtige Infrastruktur und die richtigen Prozesse schaffen, um diese Art von Wachstum und Karriereentwicklung aus den eigenen Reihen zu unterstützen und zu ermöglichen.
Langfristige Mitarbeiterentwicklung und klare Karrierewege sollten ein integraler Bestandteil der heutigen Talentstrategie sein – nicht die Ausnahme.
Zum nächsten Kapitel: L&D-Teams wissen, welche Skills im Unternehmen sind. Doch Beschäftigten fehlen klare Karrierewege.