Hätten Sie die Wahl zwischen einem mittelmäßigen Diversity- and Inclusion Training (D&I oder DEI) oder gar keiner Schulung – wofür würden Sie sich entscheiden? Spontan würden viele vielleicht sagen: Lieber die mittelmäßige Schulung als gar keine!
Aber laut Forschenden der Harvard University bringt eine schlecht ausgeführte D&I-Schulung mitunter mehr Schaden als positive Effekte. Derartige Lerneinheiten, die häufig in Form eines verpflichtenden Videos oder Quiz einmal im Jahr erfolgen, sind zum Scheitern verurteilt – denn sie vernachlässigen die subtileren bzw. versteckten Formen von Diskriminierungsmechanismen und struktureller Ungleichheit. Im schlimmsten Fall führen halbherzige DEI-Schulungen sogar zu einem Anstieg der Vorurteile.
Gehen die Antidiskriminierungs- und Diversity-Schulungen hingegen in die Tiefe, dann bieten sie enorme Vorteile für jede Arbeitsumgebung. D&I-Schulungsprogramme müssen fundiert, dynamisch und nachhaltig sein, um tatsächliche positive Effekte zu erzielen.
In diesem Beitrag geben wir Ihnen Tipps für die Entwicklung einer Mitarbeiterschulung, die die Teammitglieder ermutigt, sich ihrer eigenen Voreingenommenheit zu stellen und diese zu verstehen, um es in Zukunft besser zu machen. Worauf sollten Diversity Trainer nun achten, um die Belegschaft für eine Welt der Vielfalt zu sensibilisieren?
D&I-Schulungsprogramme müssen fundiert, dynamisch und nachhaltig sein, um tatsächliche positive Effekte zu erzielen.
In einer Metaanalyse von mehr als 40 Jahren Forschung zu Diversity-Schulungen kamen Forschende zu dem Schluss, dass Diversity-Angebote, damit sie wirklich effektiv sind, über einen längeren Zeitraum stattfinden müssen. Viele problematische Einstellungen sind so tief verankert, dass es anhaltender Bemühungen bedarf, um sie zu überwinden. Zwar wirkte sich bereits eine einzige Mitarbeiterschulung positiv auf die Einstellung und das Verhalten der Teammitglieder aus, doch im Laufe der Zeit fielen sie wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Für eine dauerhafte Änderung waren Zeit und Wiederholungen nötig.
Häufig werden Schulungsinitiativen zur personellen Vielfalt als einmalige Aktivität behandelt, wie ein Modul, das beim Onboarding zu absolvieren ist, oder ein jährliches Video, das alle Mitarbeiter:innen sich ansehen müssen. Dabei sollten Sensibilisierungstrainings einen viel größeren Stellenwert haben! Machen Sie sich stattdessen für ein fortlaufendes D&I-Schulungsprogramm stark, das kontinuierlich Inklusionsthemen behandelt und gegen bewusste sowie unbewusste Vorurteile (die sogenannte „unconscious bias“) kämpft.
Binden Sie D&I nicht nur als einzelnen Workshop in die Personalentwicklung ein, sondern nutzen Sie verschiedene Trainingsmethoden, an denen Ihre Mitarbeiter:innen teilnehmen können. Dabei kann es sich um bestimmte Gruppen, Kurse, Webinare, einen Buchclub, Benachrichtigungen per E-Mail, Gastredner:innen, Veranstaltungen usw. handeln, die die vielen verschiedenen Erfahrungen der Mitarbeitenden in Ihrem Unternehmen ansprechen. Wenn Sie eines dieser Formate neben Ihren herkömmlichen Schulungen einführen, ist das ein großer Schritt hin zu einem ganzen D&I-Programm in Ihrem Unternehmen.
Ein weiteres Trainingskonzept sind Microlearning-Kurse zu verschiedenen Diversity-Dimensionen, die Sie Monat für Monat zur Verfügung stellen.
So seltsam es klingen mag: Ein verpflichtendes Diversity-Training für Ihr ganzes Unternehmen manchmal nicht ratsam. 2009 fanden Forschende der Universitäten Harvard und Yale bei einer Metaanalyse heraus, dass verpflichtende Diversity-Schulungen oft zu Feindseligkeiten unter den unfreiwilligen Teilnehmer:innen führten. Diese Erkenntnisse wurden bestätigt, als Forschende der Universitäten Harvard und Tel Aviv die Daten der Untersuchung 2016 analysierten.
Trotz dieser Ergebnisse behandeln die meisten Unternehmen Diversity-Kompetenzen als Pflichtprogramm und schreiben sie für alle Angestellten vor. In der Analyse von 2016 fanden die Forschenden der Harvard University und der Universität von Tel Aviv zudem heraus, dass die meisten Unternehmen ihre Herangehensweise an Schulungen seit den 1960er-Jahren nicht verändert haben – trotz zahlreicher Belege, dass diese alten Methoden einfach nicht funktionieren!
Wenn die Mitarbeiter:innen an Ihren Schulungen freiwillig teilnehmen dürfen, entscheiden sich manche vielleicht dagegen. Aber diejenigen, die gern daran teilnehmen, können viel mehr für sich mitnehmen. Studien belegen, dass allein die Entscheidung für eine Schulung dazu führt, dass sich die Mitarbeiter:innen mehr für Diversity engagieren und weniger wahrscheinlich neue Vorurteile entwickeln. Dabei spielt es keine Rolle, warum sie sich für die Schulung entschieden haben: Allein die Tatsache, dass sie es getan haben, macht die Mitarbeiter:innen empfänglicher für die in der Schulung enthaltenen Botschaften.
So seltsam es klingen mag: Ein verpflichtendes Diversity-Training für Ihr ganzes Unternehmen manchmal nicht ratsam.
Es gibt zwei Übungen, die besonders effektiv sind, da sie zum aktiven Lernen anregen: die Perspektivenübernahme und die Zielsetzung. D&I-Schulungen beschränken sich oftmals auf ein einfaches Video oder eine Präsentation und das Ausfüllen eines Fragebogens im Zuge des Onboardings, dabei ist ein aktiver Ansatz um so vieles spannender!
Bei aktiven Übungen sind die Lernenden dazu gezwungen, sich mit den Schulungsmaterialien auseinanderzusetzen – sei es durch Gespräche mit Kolleg:innen über schwierige Sachverhalte oder die Beschreibung von Situationen jenseits ihrer Selbsterfahrung.
Die Perspektivenübernahme ist eine Übung, die Teilnehmende dazu auffordert, sich in die Situation einer Randgruppe zu versetzen.
2017 führten Forschende der George Mason University, Rice University und Indiana University eine gemeinsame Untersuchung durch, bei der sie herausfanden, dass die Perspektivenübernahme die Empathie fördern und das Verhalten der Teilnehmer:innen verbessern kann – und zwar nicht nur in Bezug auf bestimmte Gruppen, sondern auf alle Randgruppen. In ihrer Studie verspürten Teilnehmende, die an einer Übung zur Perspektivenübernahme einer LGBTQIA+-Person teilnahmen schließlich auch mehr Empathie für andere Minderheiten und umgekehrt. Mehr noch: Die Übung hatte langanhaltende Effekte, die sogar noch acht Monate später messbar waren.
Die Perspektivenübernahme kann in Form eines Rollenspiels mit einer kleinen Gruppe oder in Form von Einzelgesprächen erfolgen. Sie kann auch als schriftliche Übung stattfinden. Eine Aufgabenstellung könnte z. B. folgendermaßen lauten:
Schreiben Sie einen Aufsatz aus der Perspektive einer anderen Bevölkerungsgruppe als Ihrer eigenen, wobei Sie die Herausforderungen beschreiben, mit denen diese Gruppe Ihrer Meinung nach konfrontiert ist. Berücksichtigen Sie dabei soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren, die das Verhalten, die Ansichten und die Möglichkeiten der Gruppe beeinflussen könnten.
Die Festlegung von Zielen in puncto Diversity trägt dazu bei, die Handlungen der Mitarbeiter:innen zu verändern, wandelt ihre Einstellung, wirkt sich positiv auf ihre Entscheidungsfindung aus und führt nachweislich zu einem integrativeren Arbeitsumfeld.
In der oben erwähnten Untersuchung von 2017 wiederholten Forschende eine bekannte Studie, bei der die Teilnehmer:innen gebeten wurden, während der Diversity-Schulung Ziele festzulegen. Die Ergebnisse zeigten, dass jene Teilnehmer:innen, die sich Ziele setzten, später eher bereit waren, Kolleg:innen mit anderem Hintergrund zu unterstützen.
Bitten Sie Ihre Teilnehmenden, realistische und messbare Ziele festzulegen, die mit ihrem eigenen Verhalten und ihren Einstellungen in Bezug auf Vielfalt beim Arbeitsplatz in Zusammenhang stehen. Diese Ziele sollten wie alle andere KPI behandelt werden: Sie sollten messbar, herausfordernd, aber erreichbar sein. Das könnte etwa wie folgt aussehen:
Es wurde gezeigt, dass Collaborative Learning die Offenheit der Lernenden für Diversität verbessert, indem sie die Möglichkeit erhalten, mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Perspektiven sinnvoll zu interagieren. Wenn sie in ihrer Arbeit aufsteigen, bietet die gemeinsame Schulungserfahrung ein neues Maß an Verantwortlichkeit für die Einhaltung der während der Schulung festgelegten Standards.
Nutzen Sie diese Vorteile, indem Sie den Teammitgliedern die Möglichkeit geben, bei Diversity-Schulungen nicht nur gemeinsam, sondern auch voneinander zu lernen.
Binden Sie Gruppendiskussionen, von Mitarbeiter:innen geleitete Schulungen zu Vorurteilen und den Austausch von Perspektiven in Ihre Kurse ein. Bitten Sie die Teammitglieder, von ihren persönlichen Erfahrungen und Ansichten über Vielfalt am Arbeitsplatz zu berichten und zu erläutern, wie ihrer Meinung nach ein integrativer Arbeitsplatz aussehen könnte. (Diese Übung sollte freiwillig sein. Niemand sollte dazu gezwungen werden, seine Meinung zu äußern, wenn er/sie nicht möchte.)
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Ein wirksames Diversity-Management ist zwar für jedes Unternehmen vorteilhaft, kann aber nicht als alleinige Antwort auf die Bedeutung von kultureller Vielfalt dienen oder Ungleichgewichte in Bezug auf die sexuelle Orientierung, soziale Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit innerhalb Ihres Unternehmens korrigieren. Jede Ihrer durchgeführten Schulung sollte mit einer gründlichen Untersuchung der Frage einhergehen, wie sich Vorurteile, Mikroaggressionen und struktureller Rassismus in Ihrem Unternehmen auswirken.
Machen Sie Vielfalt und Inklusion zu Unternehmenswerten und integrieren Sie sie in Ihre Organisation – von der Einstellung über das Onboarding bis zur Schulung und darüber hinaus. Bleiben Sie über aktuelle Forschungsergebnisse sowie Überlegungen zu D&I am Arbeitsplatz informiert und setzen Sie sich für eine antirassistische Unternehmenspolitik ein. Nur dann werden wir sehen, wie der Zeiger in Richtung einer vielfältigeren Belegschaft und einer integrativen Kultur ausschlägt.
Was bedeutet DEI?
Warum sollten Unternehmen ein Diversity Training anbieten?
Was ist Diversity-Management?