Von Jobs zu Skills
Management & Mindset

Von Jobs zu Skills: Warum sich die Art, wie wir über Talente nachdenken, grundlegend ändert

Um auf einem wettbewerbsorientierten Markt erfolgreich zu sein, kommt es für Unternehmen darauf an, die besten Talente anzuwerben und ans Unternehmen zu binden. Sie brauchen die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt — und müssen auf Veränderungen auf dem Markt reagieren können.

Leider gehen viele Führungspersonen diese Frage jedoch falsch an. Anstatt sich auf die Kompetenzen zu konzentrieren, die für die Weiterentwicklung des Unternehmens nötig sind, halten sie an einer Denkweise fest, in der es um Pflichten und Aufgaben geht, für deren Erledigung Arbeitskräfte eingestellt werden müssen. Kurz gesagt, denken Sie in Jobs und nicht in Skills.

In diesem Artikel möchten wir uns deshalb der veränderten Art und Weise widmen, wie Unternehmen über Arbeitskräfte nachdenken und stellen Ihnen sechs Schritte vor, mit denen die Umstellung von einer Job- zu einer skill-basierten Funktionsweise gelingt. Denn durch diese veränderte Schwerpunktsetzung können Organisationen flexibler, resilienter und wettbewerbsfähiger werden.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf eine der Fragen werfen, die CEOs Kopfschmerzen bereiten.

Für 75 % der CEOs stellen Skills den größten Faktor für Wachstum dar

Wir haben uns vor Kurzem mit dem CEO von Neobrain, Paul Courtaud, über die Herausforderungen und Möglichkeiten des Wechsels hin zu einem Skills-orientierten Ansatz unterhalten. Wenn er CEOs danach fragt, was ihre Firmen am Wachstum hindert, erhält er stets die gleiche Antwort: Entweder dauert es zu lange, die richtigen Talente zu finden oder die gesuchten Talente sind auf dem Markt einfach nicht zu finden. Es handelt sich hier um ein bedeutsames Problem, das nur schwer zu lösen ist.

Ein Beispiel dafür sind die großen Veränderungen im Bereich grüner Wasserstoff. Angesichts der vielen Länder und Regionen, die auf nachhaltige Energie umsteigen, brauchen die Energieversorger eine ständige und verlässliche Quelle an qualifizierten Wasserstoff-Ingenieur:innen. Davon gibt es jedoch leider nicht genug auf dem Markt.

Sie können zwar viel Geld und Zusatzleistungen bieten, aber dieses grundsätzliche Problem werden Sie damit nicht lösen. Wenn wertvolle Kompetenzen rar sind, benötigen Organisationen eine völlig neue Art, über die Ressourcenverteilung nachzudenken — und eine völlig neue Weise, qualifizierte Mitarbeitende zu fördern. 

Deshalb beginnen führende Unternehmen damit, anders über Talente nachzudenken.

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So wird skill-basiertes Lernen ein Erfolg in Ihrem Unternehmen

Führende Unternehmen verabschieden sich vom Konzept "Job"

Traditionelle Vorstellungen davon, wie Unternehmen Talente einstellen und an sich binden, sind heutzutage nicht mehr ausreichend. Anstatt jährliche Kompetenzpläne aufzustellen und dementsprechend Arbeitskräfte einzustellen, müssen Unternehmen die bereits verfügbaren Skills und Ressourcen schnell und dynamisch auf Marktsignale hin umwidmen und optimieren können.

Deloitte untersucht diesen Trend hin zu skill-basierten Organisationen in einem 2022 erschienenen Artikel und stellt fest, dass führende Unternehmen auf Skills setzen, um der Forderung nach mehr Flexibilität, Handlungsspielraum und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz nachzukommen.

Arbeit auf standardisierte Aufgaben zu beschränken, die im Rahmen eines funktionsbezogenen Jobs erledigt werden, und dann alle Entscheidungen über die Mitarbeitenden auf der Grundlage ihrer Position in der Organisationshierarchie zu treffen, behindere diesem Artikel nach einige der wichtigsten Unternehmensziele von heute: Agilität, Wachstum und Innovation; Vielfalt, Integration und Gleichberechtigung sowie die Fähigkeit, den Mitarbeitenden ein positives Arbeitsumfeld zu bieten.

Auf Skills zu setzen und nicht auf Jobs ist ein wesentlicher Faktor für die Talententwicklung

Um dieser Beschränkung entgegenzuwirken, gehen führende Unternehmen nun zu einem neuen Ansatz über, bei dem nicht die Jobs, sondern die Skills als wesentlicher Faktor für die Talententwicklung der Mitarbeitenden im Vordergrund stehen. So berichtet auch Anish Singh, Leiter der Personalabteilung von Unilever in Australien und Neuseeland, davon, wie man bei Unilever anfängt, jede Funktion als eine Sammlung von Kompetenzen zu betrachten und nicht nur als eine Stellenbezeichnung.

Bei Führungskräften weckt der skill-basierte Ansatz hohes Interesse: 81 % der von Deloitte befragten Führungskräfte bevorzugten entweder einen mehrteiligen Ansatz, bei dem sich die Arbeitskräfte je nach ihren Kompetenzen und Interessen auf Projekte konzentrieren (60 % der Befragten), oder einen erweiterten Ansatz, bei dem sich die Aufgaben der Arbeitskräfte nach den gewünschten Ergebnissen richten (21 % der Befragten). Nur 19 % der Befragten bevorzugen einen Ansatz, der auf Jobs fokussiert ist.

Dieser Ansatz befähigt die Mitarbeitenden, ihre Kompetenzen flexibler in Projekte und Aufgaben im gesamten Unternehmen einzubringen, anstatt sich nur auf einen einzigen Aufgabenbereich zu beschränken. Und da 55 % der Berufstätigen angeben, dass sie im Laufe ihrer Karriere entweder bereits das Arbeitsmodell gewechselt haben oder wahrscheinlich wechseln werden (z. B. von Projekt zu Projekt über interne Stellenangebote), ist diese Art von Flexibilität auch für Ihre talentiertesten Arbeitskräfte ein wichtiger Mehrwert.

Wie können wir diese Veränderung also bewerkstelligen?

Der skill-basierte Ansatz befähigt die Mitarbeitenden, ihre Kompetenzen flexibler in Projekte und Aufgaben im gesamten Unternehmen einzubringen, statt sich auf einen einzigen Aufgabenbereich zu beschränken.

In 6-Schritten zur skill-basierten Organisation

Von einem traditionellen Ansatz mit Fokus auf Jobs zu einem skill-basierten Modell zu wechseln, mag sich beängstigend anhören, sie können diesen Wechsel aber auf sechs kleinere Schritte herunterbrechen.

1. Erstellen Sie eine Übersicht über vorhandene Skills 

Schätzen Sie zunächst die in Ihrem Unternehmen vorhandenen Kompetenzen ein. Dazu gehören zwei Etappen: 

  • Erstellen Sie eine KI-gestützte Skill-Matrix. Mit Hilfe von KI-Tools können Sie schnell eine dynamische Liste von Skills für jede Stelle in Ihrem Unternehmen erstellen. Sobald Sie eine solche Liste zusammengestellt haben, können Sie sie mit den Personalverantwortlichen, Manager:innen und Führungskräften durchgehen und überprüfen. 
  • Beurteilen Sie die Mitarbeitenden in Hinblick auf diese Skills. Mit Hilfe Ihrer Liste können Sie die Teams durch Selbsteinschätzung, Beurteilung durch Vorgesetzte und KollegInnen oder durch unabhängige Tests bewerten. So erhalten Sie ein Gespür dafür, wie gut die einzelnen Kompetenzen beherrscht werden und wie groß das Interesse der einzelnen Mitarbeitenden ist, diese Kompetenzen weiterzuentwickeln.

Anhand dieses genauen Überblicks über die aktuelle Situation können Sie sich ein Bild davon machen, in welche Richtung Ihre talentierten Mitarbeitenden als nächstes gehen wollen.

2. Zeigen Sie den Mitarbeitenden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung auf

Auf Grundlage der in Schritt 1 entwickelten Kompetenzprofile können Sie dann einen „Marktplatz” schaffen, um interne Möglichkeiten für verschiedene Funktionen auf Grundlage der Prioritäten des Unternehmens zu bewerben.

Wenn Sie so viel Sichtbarkeit bieten, geben Sie den Angestellten die Chance, sich in neue Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens zu projizieren — und nicht auf LinkedIn nach einer neuen Stelle zu suchen.

3. Passen Sie Ihre Weiterbildungsstrategie diesen Zielen an 

Wenn Sie die Ziele der Angestellten und die dafür nötigen Kompetenzen klar vor Augen haben, können Sie sich auf die richtigen Lernerfahrungen konzentrieren. Und so gehen Sie am besten vor:

  • Kennzeichnen Sie Lerninhalte mit Tags, um die Skills herauszustellen, die erlernt oder ausgebaut werden sollen. 
  • Identifizieren Sie dann die Kompetenzlücke, die seitens der Angestellten besteht. Diese Lücke kann sich auf die aktuelle Funktion beziehen (welche Kompetenzen sollten Angestellte verbessern, um ihre heutige Arbeit besser zu machen?) oder auf gewünschte zukünftige Positionen (welche Skills fehlen ihnen dafür?). Dann können Sie sicherstellen, dass Sie die richtigen Inhalte anbieten, um diese Lücken zu schließen.
  • Wenn Schulungsinhalte fehlen, können Sie anschließend auf Grundlage ihrer Kompetenzprofile interne FachexpertInnen ermitteln, die Ihnen helfen, die richtigen Lerninhalte zu erstellen, um diese Defizite zu beseitigen.
  • Nutzen Sie KI-gestützte Lernempfehlungen, um zu gewährleisten, dass die Mitarbeitenden die richtigen Empfehlungen erhalten, um Kompetenzlücken zu schließen.
  • Messen Sie, inwiefern sich die Mitarbeiterschulungen auf bestehende Kompetenzlücken und Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Mitarbeitenden auswirken. 
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4. Wechseln Sie zu einem skill-basierten Performance-Management

Als Nächstes sollten Sie sich auch in Prozessen des Leistungsmanagements auf Skills fokussieren. Manager:inen und Coaches sollten mit ihren Teams kontinuierlich über Skills sprechen und die Kompetenzentwicklung zu einem zentralen Thema bei Leistungsbeurteilungen machen.

Wenn Sie diese Schwerpunktlegung auch in Ihrem Performance-Management berücksichtigen, geben Sie ManagerInnen und Coaches neue Möglichkeiten an die Hand, Ambitionen innerhalb ihrer Teams zu identifizieren und Raum zu schaffen, diesen Ambitionen durch die Entwicklung neuer Kompetenzen oder durch die Anwendung bestehender Skills nachzukommen.

5. Wechseln Sie von erfahrungsbasierten zu kompetenzbasierten Neueinstellungen

Neben dem kompetenzbasierten Performance-Management besteht eine noch grundlegendere Veränderung in der Umstellung von der erfahrungsbasierten hin zum kompetenzbasierten Recruiting. Dies bedeutet, dass offene Stellen in erster Linie im Hinblick auf die von Ihrem Unternehmen benötigten Fähigkeiten und nicht auf die von Bewerbern erwartete Erfahrung definiert werden.

Bei einem skill-basierten Einstellungsverfahren liegt der Schwerpunkt darauf, die Kandidaten auf der Grundlage ihrer Kompetenzen zu bewerten, die sie in Ihr Unternehmen einbringen können, und nicht aufgrund ihrer Ausbildung oder früheren Berufserfahrung.

6. Setzen Sie im Bereich der strategischen Personalplanung auf Skills

Um jeden dieser sechs Schritte umzusetzen, müssen Sie diesen Fokus auf Skills auch in Ihrer strategischen Personalplanung berücksichtigen. Für größere Produktionsunternehmen könnte dies auch Änderungen an den wichtigsten Produktionsprozessen beinhalten.

Mit den ausführlichen Daten zu den Skills, die Sie in den Schritten eins bis fünf gesammelt haben, kann Ihr HR-Team nun Ihre Geschäfts- und Personalstrategien besser aufeinander abstimmen. Das bedeutet, dass Sie ein klareres Bild vom Kompetenzprofil der derzeitigen Angestellten und von den spezifischen Schritten erhalten, die Sie unternehmen müssen, um Ihr Zielniveau zu erreichen.

Wie kann Ihr Unternehmen beispielsweise einen Punkt erreichen, an dem Sie vorhandene Mitarbeitende durch Upskilling und Umschulung neu einsetzen, anstatt neue Mitarbeitende von außerhalb einzustellen? Und wie können Sie eine solche Umverteilung der Talente für bestimmte Initiativen managen?

Ein Beispiel aus der Praxis: Das weltweit agierende Unternehmen Bosch stand vor der Entscheidung, bis zu 1400 Stellen zu streichen, weil sich der Markt von der Dieselmotorentechnik abwandte. Durch die Umstellung auf ein skill-basiertes Betriebsmodell konnte das Unternehmen jedoch 800 dieser Stellen behalten, indem es eine Subunternehmer-Beziehung mit Airbus einging, um technische Fähigkeiten in verschiedenen Projekten einzusetzen.

Ein letzter Punkt: Der Übergang von einem auf Job-basierenden Ansatz zum Fokus auf Skills kann Zeit in Anspruch nehmen. Der traditionelle Schwerpunkt auf spezifische Rollen ist so stark verankert in der Art und Weise, wie Talente angeworben, eingestellt und gebunden werden, dass die Umstellung Monate, wenn nicht gar Jahre dauern kann. In bestimmten Jobs und Industrien birgt ein zu schneller Wechsel noch dazu die Gefahr, dass Mitarbeitende abwandern.

Beim skill-basierten Recruiting liegt der Schwerpunkt darauf, die Kandidaten auf der Grundlage ihrer Kompetenzen zu bewerten – und nicht aufgrund ihrer Ausbildung oder früheren Berufserfahrung.

Flexibilität, Resilienz, Agilität: Warum Sie den Schwerpunkt auf Skills setzen sollten

Die Corona-Krise hat Unternehmen dazu gedrängt, schneller und agiler auf Marktsignale zu reagieren. Jetzt haben Organisationen weltweit die Möglichkeit, auf diese Veränderung zu setzen und sich dauerhaft auf Skills und nicht mehr auf Jobs zu konzentrieren.

Wie Deloitte bemerkt, führt ein kompetenzbasiertes Betriebsmodell potenziell zu mehr Flexibilität, Handlungsspielraum und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Indem wir bei der Einstellung von Arbeitskräften weniger an feste Aufgabenbereiche denken, sondern vielmehr an eine Reihe von Kompetenzen, die fließend eingesetzt werden können, um wichtige Projekte voranzubringen, können wir die Unternehmensleistung steigern und wichtige Talente gewinnen.

Diese Transformation wird nicht über Nacht vonstattengehen: Schließlich stellen wir jahrzehntelange, wenn nicht gar Jahrhunderte alte, konventionelle Denkweisen auf den Kopf. Wenn wir diese Transformation jedoch richtig anpacken, können wir die Art und Weise verändern, wie Organisationen auf Chancen und Bedrohungen des Marktes reagieren; unsere talentiertesten Mitarbeiter zu motivieren, neue Fähigkeiten zu entwickeln und an andere zu vermitteln, und Arbeit grundlegend neu zu denken.